4. Das Subjekt ist sich seiner selbst bewusst, das Objekt ist ungewiss

Haben Sie im Duden-Fremdwörterbuch nachgeschaut? – Das Subjekt ist (1.) „das erkennende, mit Bewusstsein ausgestattete, handelnde Ich“.

Das Subjekt als das Wahrnehmende, das Erkennende ist in der philosophischen Darstellung ‚objektiv‘ nicht erfassbar, sondern allenfalls im mitvollziehenden Denken, wie wir es in den ‚Meditationen‘ kennen gelernt haben.

Dem gegenüber steht das Objekt, der Gegen-Stand, das ‚Nach außen Geworfene‘, wie man wörtlich übersetzen könnte. Das Objekt ist der Gegenstand der Erkenntnis, der Wahrnehmung.

Unser eigenes Subjekt kann uns jeweils als ‚Ich denke‘ gegenwärtig sein. Wollten wir ein fremdes Subjekt erfassen, würde es uns als solches entschwinden, es würde uns zum Objekt und zum Gegenstand werden…

– Damit ist, dies nur nebenbei angedeutet, wohl auch skizziert wie eine Liebe zerbrechen kann…

Descartes hat in den Meditationen das Subjekt zum Ausgangspunkt seines Denkens gemacht: Sein „Ich denke“ ist als sich selbst bewusster Vollzug des Ichs zu verstehen: Ich denke, ich nehme wahr, ich erkenne. Dies ist sicher. Unsicher dagegen sind die Inhalte, die Objekte.

Diese Ausgangssituation wollen wir ins Folgende mitnehmen; nur aus ihr heraus werden sich einige der übrigen Folgen wirklich verstehen lassen.

Noch einmal anders gesagt: Wenn ich eine Wahrnehmung habe, z.B. diesen Text auf dem Bildschirm lese, dann finde ich diese Zeilen und deren Gedanken in meiner Wahrnehmung vor. Dass sie vorhanden sind, ich sie also denke, ist sicher. Weniger sicher ist woher sie kommen. Vielleicht lese ich sie auf meinem Bildschirm, vielleicht kommt mir das aber auch nur so vor, vielleicht träume ich, dass ich sie lese, vielleicht wird mir der Bildschirm auch nur vorgegaukelt. Aber immerhin: Ich denke, ich lese sie, ich denke die in den Zeilen enthaltenen Gedanken. Sicher ist also das Subjektive, unsicher, weil anzweifelbar, das Objekt.

Ähnlich verhält es sich mit obiger Skizze: Der Gedanke (die Denkblase mit dem Bild der Kirche) sind sicher, unsicher sind die Objekte….

– An diesen Gedanken, an diese Bedeutung der Worte Subjekt und Objekt, ja insbesondere ’subjektiv‘ und ‚objektiv‘ müssen wir uns gewöhnen. ’subjektiv‘ und ‚objektiv‘ sind nun nicht mehr – wie im Alltagssprachgebrauch – wertend zu verstehen. Sie bezeichnen ganz neutral eine Position im Erkenntnisprozess: ‚Subjektiv‘ heißt nun ‚zum Subjekt gehörig‘ und ‚objektiv‘ heißt zum ‚Gegenstand der Erkenntnis‘ gehörig.

In einer Woche, am 9.4. ab 15.00 Uhr, werfen wir einen Blick auf Leibniz.

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Überblick über alle 10 Folgen:

  1. Was kann ich wissen?
  2. Woran man zweifeln kann
  3. Ich denke also bin ich
  4. Das Subjekt ist sich seiner selbst bewusst, das Objekt ist ungewiss
  5. Können wir das Denken erklären? – Ein kurzer Blick auf Leibniz, ein Ausblick auf Kant
  6. Wo ist Zeit? – Was ist Zeit? – Grundgedanken aus Einsteins Relativitätstheorie
  7. Kant: Raum und Zeit als ‚Formen der Anschauung‘
  8. „Das Ding an sich ist nicht erkennbar.“
  9. Kausalität – und: Randbemerkung für Interessierte (zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft)
  10. Von der ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption. – Und Schluss.