Skizze des Alltags in Afghanistan zu Corona-Zeiten

Liebe Freunde,

wie das Leben in Europa stagniert, brauche ich Ihnen nicht zu schildern. Aber auch in Afghanistan tut sich wenig. Wenn man in Afghanistan anruft, erklärt einem eine Dame auf Paschtu und Dari, dass man sich die Hände mindestens 20 Sekunden lang mit Wasser und Seife waschen soll, um sich nicht anzustecken – bis schließlich der Angerufene abhebt.

Viel mehr kann der Staat nicht für seine Bürger tun. Ja, die Schulen sind geschlossen und Geschäfte, die nicht der Versorgung mit Nahrungsmitteln dienen, auch. Nur wenige Autos dürfen fahren. Die Luft ist erheblich sauberer. Man kann das Paghman-Gebirge zu jeder Tageszeit sehen. Doch die Einschränkungen können nicht strikt durchgesetzt werden. Geschäfte, die zur Straße hin geschlossen sind, kann man durch einen Hintereingang betreten. Scharen von Kindern spielen auf den Straßen. Die kann man nicht in der engen Wohnung halten.

An der Einmündung unserer Gasse in die Hauptstraße sammelten sich zu normalen Zeiten jeden Morgen um die 40 Tagelöhner und warteten auf Arbeit. Ab und zu kam ein Unternehmer vorbei und nahm einige der Wartenden mit. Die hatten dann für den Tag Arbeit und Einkommen, meist auf Baustellen. Jetzt warten kaum noch Tagelöhner. Fahrverbote für Pkws kann man mit einigem Feilschen mit Polizisten umgehen. Aber LKWs dürfen sich nicht in der Stadt bewegen. Baumaterial ist nicht zu haben. Die Familien der Tagelöhner hungern.

Natürlich wird im Rundfunk und Fernsehen viel über Corona berichtet. Aber die Nachrichten sind nicht zuverlässig. Welche Ärzte können die Krankheit diagnostizieren? Man weiß, dass es Corona gibt, aber nicht, wer daran erkrankt ist. Über die Verbreitung des Unheils gibt es viele Gerüchte. Das ist nicht beruhigend.

In der letzten Woche hat der Fastenmonat Ramasan begonnen. Der dämpft das wirtschaftliche Leben zusätzlich und schwächt die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser noch weiter.

Einige Luftfahrtunternehmen erwägen, Afghanistan ab Mitte Mai wieder anzufliegen. Familien könnten dann den Abschluss des Ramasan gemeinsam feiern. Um ehrlich zu sein: Zu einer Anreise schon im Mai fehlt mir der Mut.

In der Politik auf Seiten der Regierung besteht das Patt zwischen den Bewerbern um das Amt des Staatspräsidenten weiter. Im Hintergrund wird verhandelt.

Herzliche Grüße

Peter Schwittek.