Berliner Morgenpost: Adios Amigo!

– Leitartikel von Jörg Quoos –

Der Frauenfußball muss toxische Männer loswerden – auch bei uns

Es war ein großartiger Triumph, als Spaniens Kapitänin im Endspielstadion von Sidney den WM-Pokal unter dem Blitzlichtgewitter der Weltpresse in die Höhe riss. Mit dem Wissen von heute muss unser Respekt vor den spanischen Spielerinnen noch größer sein. Denn Jennifer Hermoso und ihr Team haben diesen großartigen Sieg unter dem Druck eines toxischen Männersystems errungen, dessen hässlichste Seiten jetzt nach und nach ans Licht kommen.

Der Fußballverbandschef Luis Rubiales, der seine Spielerin auf offener Bühne mit physischer Gewalt zum Kuss zwingt, der sie – wie ein Metzger Schweinehälften – auf die Schulter lädt und ihre nackten Schenkel begrapscht, ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. In der Tiefe geht der Grusel weiter. Bereits gegen den eigenen Trainer musste die Mannschaft aufbegehren. 2022 traten fünfzehn Spielerinnen wegen Jorge Vilda zurück und beklagten in einer Mail, dass sie die Situation „erheblich“ in ihrem „emotionalen Zustand“ und ihrer „Gesundheit“ beeinträchtige.

Vilda und sein Team hatten die erwachsenen Frauen unter anderem gezwungen, nachts ihre Zimmertüren unverriegelt zu lassen. Statt die Frauen in ihrer Not zu unterstützen, erklärte der spanische Fußballverband in einer Stellungnahme anschließend, er werde es den Spielerinnen „nicht gestatten, die Kontinuität des Nationaltrainers und seines Trainerstabs infrage zu stellen, da derartige Entscheidungen nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen“.

Als der Fußballchef auf der jüngsten Krisensitzung des Verbandes schreiend einen Rücktritt ablehnte, klatschten die Delegierten artig. Sogar der eigene Trainer fiel der Mannschaft mit seinem Applaus für den peinlichen Verbandschef erneut in den Rücken. Dass der Verband versuchte, in einer Pressemitteilung mit gefälschten Zitaten der Spielerin den Chef zu retten, und jetzt mit angeblichen Fotobeweisen und juristischen Drohungen Hermoso einschüchtert, macht den Skandal noch größer. Seit Freitag sind die Nationalspielerinnen Spaniens wieder im Fußballstreik. „Nach allem, was bei der Medaillenvergabe der Frauen-WM passiert ist, werden alle Spielerinnen, die diesen Text unterzeichnet haben, eine nächste Einberufung nicht ehren, wenn die derzeitige Führung beibehalten wird“, lautet der Text ihrer Erklärung.“

Adios, Amigos!“ – diesmal müssen die mutigen Spielerinnen gewinnen. Denn sie werden als stolze Vorbilder für alle Mädchen und Frauen gebraucht, die im weiblichen Amateur- oder Profisport endlich diejenigen Männer loswerden müssen, denen es im Jahr 2023 immer noch an Respekt und Selbstkontrolle fehlt.

Dabei geht es nicht nur um Extremfälle wie bei Sambias Trainer Bruce Mwape, dessen ganze Mannschaft offenbar das Bett mit ihm teilen musste. Es geht überwiegend um Männer, die ein Klima des Unwohlseins erschaffen, erzeugt durch Druck, zotige Sprüche und eine Macho-Attitüde, wie sie sich im Fußball bemerkenswert lange gehalten hat.

Der Fußballweltverband Fifa hat Rubiales am Sonnabend immerhin vorläufig suspendiert. Der Deutsche Fußball-Bund und die UEFA können nun gleich zeigen, ob sie verstanden haben und Solidarität mit dem spanischen Nationalteam zeigen, indem sie die Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Rummenigge beenden. Weder in der neuen DFB-Kommission noch im UEFA-­Exekutivkomitee sollte Platz für einen vorbestraften Fußballfunktionär sein, der den Übergriff auf die Spielführerin öffentlich „absolut okay“ findet.