RUHE Biogas fordert Politik auf, Greenwashing von fossilem LNG die Rote Karte zu zeigen

Überall an den Küsten werden gegenwärtig neue LNG-Termi­nals gebaut. Das angelieferte verflüssigte Erdgas soll die Versorgung des Landes so lange gewährleisten, bis erneuerbare Energien übernehmen können. Dass LNG aus Erd­gasvorkommen nicht nachhaltig sein kann, liegt dabei auf der Hand. Doch gibt es nun Be­strebungen aus der Politik, von fossiler Industrie und Tradern, genau dies in Form der so­genannten „virtuellen Verflüssigung“ rechtlich abzusichern. Sollten sie sich durchsetzen, droht laut Maximilian Ruhe, Geschäftsführer von RUHE Biogas in Lüsche, nicht nur ein weiterer Fall von Greenwashing. Zugleich könnte eine gesetzliche Begünstigung des Ver­fahrens den Aufbau der neuen, tatsächlich grünen und zudem regionalen Bio-LNG-Kreis­laufwirtschaft abwürgen. Er fordert die EU-Kommission und die zuständigen Bundes­minis­terien auf, den Versuchen zur rechtlichen Absicherung der „virtuellen Ver­flüssi­gung“ die Rote Karte zu zeigen und fossiles LNG und Biogas eindeutig voneinander zu differenzieren.

Für die Verkehrswende hat der Gesetzgeber Mineralölkonzerne verpflichtet, jährlich steigende Beiträge zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen, gemessen an der Emission von Diesel- und Ottokraftstoffen, zu erbringen. Die erforderliche Quote erhöht sich für sie von anfänglich 3,5 Prozent im Jahr 2015 auf 25 Prozent für 2030. Dafür kann die Industrie in E-Ladesäulen inves­tieren, die Beimischung von Biokraftstoff zu fossilem Kraftstoff befördern oder alternative Kraft­stoffe in Verkehr bringen. Geht es nach den Plänen der Industrie, soll jedoch bald eine Option hinzukommen: Wenn Politik und Behörden die Praxis der „virtuellen Verflüssigung“ von Erdgas aus LNG-Speichern ermöglichen, würde es für die Quotenerfüllung in großen Mengen zur Verfü­gung stehen.

Nach dem Konzept der „virtuellen Verflüssigung“ sollen die nachhaltigen Eigenschaften von Bio­methan, das in das Gasnetz eingespeist wurde, kurzerhand auf flüssiges Erdgas aus LNG-Ter­minals übertragen werden. Schon der Begriff führt in die Irre, denn das Gas wird gar nicht ver­flüssigt. Gelingt jedoch diese bilanzielle Umwidmung in vermeintlich grüne Energie, wird der mit der Erdgasförderung und dem Transport über die Weltmeere verbundene CO2-Ausstoß allen­falls noch mit einem ungenauen Standardwert beziffert.

„Virtuelle Verflüssigung“: Rückschritt für die Verkehrswende

„Das Umlabeln macht es Verbrauchern nicht mehr möglich, nachhaltige von fossiler Energie zu unterscheiden. Davor müssen sie geschützt werden“, sagt Maximilian Ruhe von RUHE Biogas. Die „virtuelle Verflüssigung“ wäre aus seiner Sicht ein klarer Rückschritt für die Verkehrswende da nur scheinbar Treibhausgas-Emissionen eingespart werden. „Nichts spricht für den Nachweis der Nachhaltigkeit. Die chemische Zusammensetzung bleibt unverändert wie bei Erdgas. Die bi­ogenen, also nachhaltigen Eigenschaften von Biomethan können nicht einfach übertragen wer­den, wenn sich LNG unter anderem aus Fracking-Gas speist.“ Zudem weist „virtuell verflüssig­tes“ LNG nicht die Reinheit von echtem Bio-LNG auf.

Der „virtuellen Verflüssigung“ eine gesetzliche Grundlage zu geben, wäre aus diesen Gründen mehr als zweifelhaft. Eine Bewertung muss nun die EU-Kommission und in zweiter Instanz das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Abstimmung mit der Biokraftstoff­quotenstelle (Zoll) vornehmen. Der Gesetzgeber hatte ab 2022 verboten, fossiles LNG auf die deutsche Quote anzurechnen. Begründung: Vermeintlich sinken die Emissionen im Vergleich zum fossilen Diesel um etwa 20 Prozent. Doch unstreitig bleibt, dass es sich bei dem verflüssig­ten Erdgas um einen fossilen Energieträger handelt.

„Warum soll das gleiche fossile LNG nun plötzlich durch eine rein rechnerische Übertragung der Eigenschaft von Biomethan auf dem Papier nachhaltig werden?“ kommentiert deshalb Maximilian Ruhe kritisch. „Die unabhängigen Zertifizierungssysteme haben den tatsächlichen Treibhausgas-Fußabdruck rund um LNG noch gar nicht ermittelt.“ Ein Fall falsch titulierter Biok­raftstoffmengen aus Asien hatte zudem bereits gezeigt, wie schwer es ist, Produktionsprozesse in Übersee transparent zu machen.

Potenzial für Landwirtschaft und Verkehr: Dezentrale Kreislaufwirtschaft für Bio-LNG

Sollte die „virtuelle Verflüssigung“ trotzdem rechtlich abgesichert werden, hätte dies fatale Fol­gen für den Hochlauf einer klimafreundlichen, netzunabhängigen und dezentralen Biokraftstoff­produktion für den Verkehrssektor – in Deutschland und in ganz Europa. „Die grüne Energie aus Reststoffen der Landwirtschaft wäre im Preiswettbewerb gegenüber den fossilen LNG-Produ­zenten klar benachteiligt“, befürchtet Biokraftstoff-Spezialist Maximilian Ruhe. „Die Landwirte würden verunsichert, ihre Investitionsbereitschaft in geplante neue Bio-LNG-Projekte würde sin­ken.“ Weitere Konsequenz wäre, dass die Abhängigkeit Deutschlands von LNG-Importen wächst, statt abzunehmen. Zugleich würde LNG noch attraktiver werden, weil sich Konzerne per „virtueller Verflüssigung“ ihre Emissionen schönrechnen könnten.

Im Gegensatz zur „virtuellen Verflüssigung“ kann eine regionale Kreislaufwirtschaft nachvollzieh­bar nachhaltige Energie bereitstellen. Sie basiert auf der Verarbeitung von Reststoffen wie Gülle und Mist in landwirtschaftlichen Betrieben vor Ort. Mit dem produzierten flüssigen Bio-LNG kön­nen schwere LKW und Traktoren angetrieben werden – und damit die Verkehrswende. „Eine de­zentrale Bio-LNG-Produktion birgt die Chance, einen beträchtlichen Anteil des Schwerverkehrs auf einen nachweislich grünen Treibstoff ,made in Germany‘ umzustellen“, so Experte Maximilian Ruhe. „Damit können wir nicht nur den CO2-Fußabdruck massiv reduzieren, sondern lösen uns in Deutschland durch eigene Produktionsstätten von außereuropäischen Abhängigkei­ten.“

Landwirtschaftliche Betriebe hatten Biogas lange Zeit vor allem verstromt, um die gesicherte Einspeisevergütung zu nutzen. Nach dem Auslaufen der Vergütung kann nun ein neues Erlös­modell basierend auf Bio-LNG der in den Regionen bestehenden Infrastruktur eine neue Per­spektive geben. RUHE Biogas hatte im vergangenen Jahr dafür eine neuartige Bio-LNG-Kom­paktanlage vorgestellt, die als Blaupause für landwirtschaftliche Betriebe dienen kann. Die CO2-Bilanz von Bio-LNG ist dabei negativ, sofern agrarische Abfallprodukte – sogenannte fortschrittli­che Substrate – eingesetzt werden. Beim Gärprozess in der Anlage wird aus der Biomasse Bio­gas erzeugt, das nahezu ausschließlich aus Biomethan (CH4) und CO2 besteht. Das Biomethan kann vom CO2 auf Erdgasqualität aufbereitet und im nächsten Schritt zu Bio-LNG verflüssigt werden. So produziert die Bio-LNG-Kompaktanlage grünen Treibstoff mit einem positiven Effekt für das Klima.

 

Über uns
Die RUHE Unternehmensgruppe ist ein Familienunternehmen mit Sitz im niedersächsischen Lüsche bei Vechta, das 2010 von Kunibert Ruhe gegründet wurde. RUHE will mit innovativen, nachhaltigen Konzepten für die Landwirtschaft zum Gelingen der Energiewende beitragen. Die wachsende Unternehmensgruppe beschäftigt derzeit rund 200 Mitar­beitende in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Der Bereich RUHE Agrar konzentriert sich auf das Management von landwirtschaftlichen Betrieben sowie von Biogas-Anlagen an den landwirt­schaftlichen Standorten. Der Bereich RUHE Biogas, der vom Sohn des Gründers, Maximilian Ruhe, geführt wird, stellt seinen Kunden Lösungen für den Bau, Betrieb und Service von Bio-LNG-Anlagen zur Verfügung. RUHE Biogas er­richtete 2022 die erste kompakte Bio-LNG-Anlage in Deutschland für die Produktion von grünem Treibstoff für LKW, Busse, Traktoren sowie Schiffe. Die standardisierte und skalierbare Anlage wird im Inland und international vermark­tet.