Buchempfehlung: Ein Bericht aus dem Gefängnis China – Chen Guangcheng, der barfüßige Anwalt

Aus der Buchbeschreibung:

Chen Guangchengs Fall ging um die Welt, aber kaum jemand im Westen weiß, wie außerordentlich sein Leben wirklich ist. Als kleines Kind verlor der Sohn armer Bauern sein Augenlicht. Im Teenageralter erkämpfte er sich den Zugang zu einer Blindenschule, wo er lesen und schreiben lernte. Während seines Studiums an einer Hochschule für chinesische Medizin begann er, sich für die Opfer von Behördenwillkür einzusetzen, und eignete sich dazu autodidaktisch juristisches Fachwissen an. Vor allem kämpfte er gegen die brutalen Methoden, mit denen die Ein-Kind-Politik durchgesetzt wird: Frauen zwingt man zu Spätabtreibungen und Sterilisierungen; Widerstand wird mit Prügel, Folter und Haft gebrochen. Chen selbst wurde immer wieder misshandelt, zu Hausarrest und Gefängnis verurteilt. Sein Buch legt Zeugnis davon ab, wie ein Einzelner kraft seines unbeugsamen Willens den Kampf gegen die repressive Politik einer Supermacht aufnimmt und besteht.

Aus der absurd begründeten Haft entlassen, wird Chen Guangcheng mit seiner Familie unter strengsten Hausarrest gestellt, wo er und das gesamte Dorf von einer Unzahl von Polizisten, Parteikadern und Schlägern, bewacht und beobachtet wird, Scheinwerferlicht und Überwachungskameras verhindern fast jede Privatheit.

Besonders beeindruckt hat mich unter diesen Umständen nach anderthalb Jahren die Flucht des blinden Mannes, der sich nach wenigen Metern beim heimlichen Überwinden einer Mauer gleich den Fuß gebrochen hat.

„… Kurz nach 11 Uhr vormittags war ich die Treppe zum Dach hinauf gekrochen und über die Hofmauer geklettert. Acht Stunden später lag ich nur etwa 30m entfernt vom Schmerz betäubt im verlassenen Hof unseres alten Hauses. Beim Fall von der Mauer war ich auf einem Steinhaufen aufgekommen… (…) …Ich wollte dort liegen bleiben und mich darauf konzentrieren den Schmerz zu beherrschen. Aber ich durfte nicht inne halten. Ich rollte mich auf den Bauch und kroch auf allen Vieren zur Rückseite des Hauses… (…) ich begriff, dass mir niemand helfen könnte, ich müsste es allein schaffen…. (….)… Der Fuß war mittlerweile derart angeschwollen, dass ich das Gefühl hatte, der Schuh würde platzen… (…) Daneben schlängelte sich die betonierte Straße durch das Dorf. Ich versuchte die Umgebung zu verstehen und spitzte die Ohren um jedes Geräusch aufzunehmen Ich wusste, dass die Straße mit Scheinwerfern beleuchtet wurde, die hoch über den Dächern an Pfosten hingen. Wenn ich diese Straße überquerte, würde ich für jedermann sichtbar sein. In diesem Augenblick… (…) … Ich nutzte auch [beim Überqueren der Straße] eine Fähigkeit, die ich schon im Alter von drei oder vier Jahren entwickelt hatte, eine Art Echolot, wie sie Fledermäuse einsetzen, in dem ich ein CCCHHH hauchte, nicht lauter als eine Brise im einer Pinie, konnte ich aus dem zurück kehrenden Schall schließen, was vor mir lag: ein großes Objekt, eine Mauer, ein Feld… (…) Ich strich mehrfach mit der Hand über den Straßenbelag. Nicht mal ich selbst konnte ein Geräusch hören. Als ich sicher war, dass kein großes Objekt auf meinem Weg lag, kroch ich los. Ein Mensch, der sehen konnte, hätte mich unmöglich übersehen können. Im grellen Licht der Scheinwerfer krabbelte ich mit gesenktem Kopf wie ein Insekt auf allen Vieren über die Straße. Mein Herz raste….“

So, auf allen Vieren, geht es weiter in ein Nachbardorf, wo er schließlich Hilfe bekommt und es in der Folge unter dramatischen Umständen gelingt in die Botschaft der USA zu flüchten.

Neben den persönlichen Umständen werden die Chinesischen Verhältnisse beschrieben: Ja, es gibt Gesetze, die es so aussehen lassen, als sei China ein Rechtsstaat in dem Sinne, dass die Menschenrechte geachtet werden, und jeder Bürger sich darauf berufen könne. Dieser Schein werde sogar mit ganz brutalen Mitteln gepflegt. Letztlich aber regiere die Partei, mit unkontrollierten Methoden, wie sie sich seit der Kulturrevolution nicht geändert hätten.

Das Buch zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, Menschenrechte zu leben und zu verteidigen. Das ist kein ‚Spiel‘, wie es bisweilen bei Demonstrationen von „Querdenkern“ usw, anmutet, wenn sie sich gegen Maßnahmen und Verordnungen des Staates aussprechen (was natürlich ihr gutes Recht ist). Menschenrechte zu verteidigen bedeutet aber viel Grundlegenderes: Das wichtigste Element dabei ist vermutlich die Gewaltenteilung, das heißt eine unabhängige Justiz – und diese ist auch in europäischen Ländern und in Amerika immer wieder in Gefahr.

Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Chen_Guangcheng

Das Buch scheint es z.Zt. nur als eBook oder gebraucht oder in Englisch zu geben, z.B. über buecher.de:

Der barfüßige Anwalt (eBook, ePUB)

Ein Bericht aus dem Gefängnis China
Übersetzer: Gebauer, Stephan

– erschienen bei rowohlt –