Ein Gedankenexperiment zu Corona: Wann erstickt die exotische Seerose das gesamte Steinhuder Meer?

Nehmen wir mal an ein böswilliger Agent setzt eine recht aggressive Pflanze ins Steinhuder Meer: Eine wunderschöne Seerose, die sich allerdings auch unter widrigen Bedingungen stark vermehrt: Täglich verdoppelt sich die von ihr bedeckte und beschattete Wasseroberfläche…

Nach 48 Tagen, d.h. knapp sieben Wochen also, liegt das gesamte Steinhuder Meer unter einer geschlossenen Seerosendecke.

Was meinen Sie, wann war die halbe Wasseroberfläche von dieser aggressiven Schönheit bedeckt?

– Sie haben schon die Antwort? – Prima, dann wissen Sie auch, warum die Ausbreitung des Corona-Virus vom ‚gesunden Menschenverstand‘ oft unterschätzt wird: Ein ‚exponentieller Anstieg‘ kommt in unserem Alltag eben nicht oft vor.

Aber ich will erzählen, wie es in diesen 48 Tagen am Steinhuder Meer so ausgesehen hat: Sechs Wochen lang war zunächst fast nichts zu beobachten, außer, dass an verschieden Stellen eben ein paar dieser herrlichen Seerosen zu bewundern waren, wie Spaziergänger und auch Wassersportler vereinzelt erzählten.

Mitten in der siebenten Woche wurde es allerdings interessanter: Am Donnerstagabend waren doch schon einige größere zusammenhängende Gebiete auszumachen, ein Fischer, der einen gewissen Überblick hatte, meinte: „Etwa ein Achtel der Fläche ist von diesen Seerosen überdeckt. Ich komme nicht mehr ohne Weiteres überall hin. Hoffentlich wird es nicht mehr!“ Es wurde aber mehr. Am Freitagabend war bereits ein Viertel der Wasseroberfläche und am 47ten Tag, einem Samstag, war das halbe Steinhuder Meer von Seerosen bedeckt. Das tagelang lausige Wetter wurde besser und am späteren Nachmittag kam die Sonne heraus. Da es mild wurde, wollten einige Freizeitkapitäne noch hinaus und etwas segeln. Die vielen Seerosen trübten das erwartete Vergnügen. Am Sonntag, Tag 48, war an Segeln nicht mehr zu denken. Abends war das Meer ‚voll‘.

Im Prinzip verhält es sich so auch mit der Ausbreitung des Corona-Virus: Anfangs steigen die Zahlen nur langsam: kaum Eine/r kennt jemanden, der an Covid-19 erkrankt oder gar daran gestorben ist….

Das Potential sich schnell auszubreiten ist dabei umso größer, je mehr ‚Seerosen‘ es schon an allen Ecken und Enden des ‚Gewässers‘ gibt, auch wenn die Zahlen der Neuinfektionen mal stagnieren, also nicht steigen.

Darum ist es notwendig die Gesamtzahl der Neuinfektionen JETZT gravierend zu reduzieren um die Gefahr einer ungehinderten Ausbreitung zu bannen…

 

Die Idee zu dieser kleinen Geschichte ist entnommen dem Reclam-Heftchen Nr. 14053: Nikil Mukerji & Adriano Mannino, Covid-19: Was in der Krise zählt. Stuttgart 2020 (April) ISBN: 978-3-15-014053-6