Wasserverband wehrt sich: Grahl & Herbst (BMs Garbsen & Neustadt) wollen „Druck ausüben“ – Was steckt dahinter?

Einführender Kommentar:

Ich werde immer ein bisschen misstrauisch, wenn Gremien, die eigentlich zum Wohle der Bürger zusammenarbeiten sollten, plötzlich ihren gegenseitigen Unmut in die Öffentlichkeit tragen, hier von „Druck auf den Wasserverband“ reden und es ihnen gleichzeitig um die Zustimmung der Öffentlichkeit zu gehen scheint – obwohl – oder gar weil? – es binnen 14 Tagen eine gemeinsame Sitzung geben wird….

 

Hier äußern sich nun die Bürgermeister Dr. Chr. Grahl  (Garbsen) und Herr D. Herbst (Neustadt). – Weiter unten nimmt der Wasserverband Garbsen-Neustand Stellung.

 

Zunächst die Pressemitteilung der Stadt Garbsen vom 4.6.:

Neustadt und Garbsen erhöhen Druck auf Wasserverband

GARBSEN/NEUSTADT (stp). Die Bürgermeister von Garbsen und Neustadt machen sich Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung des Wasserverbands Garbsen-Neustadt (WVGN). Kommunalpolitisch wächst der Druck angesichts hoher Wasserpreise und Nitratwerte im Trinkwasser, die sich nah an den Grenzwerten bewegen. Seit Monaten suchen die Bürgermeister das Gespräch mit der Führung des WVGN und verlangen Lösungsvorschläge – bislang ohne zufriedenstellende Ergebnisse. Deshalb fordern sie nun öffentlich umfassende Informationen vom Verband.

In einem gemeinsamen Pressegespräch haben die Bürgermeister Dominic Herbst (Neustadt) und Dr. Christian Grahl (Garbsen) eine wenig optimistische Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des Verbandes gegeben. „Wasser wird klimabedingt immer knapper und wertvoller. Nur ein gesunder Dienstleister wird in der Lage sein, uns qualitätsvolles Wasser zu angemessenen Preisen zu liefern“, so die beiden Bürgermeister übereinstimmend. „Hält die Entwicklung an, fürchten wir, den WVGN mit einer Kapitaleinlage stärken zu müssen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, erklären Herbst und Grahl. Die niedrige, branchenunterdurchschnittliche Eigenkapitalquote des WVGN sei beunruhigend. Man frage sich, ob die Kommunen bereits zeitnah haushalterische Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen.

Der WVGN steht öffentlich bereits seit Monaten in der Kritik. Vor allem hohe Nitratwerte und steigende Preise sorgen in der Bevölkerung für Unmut. Mehrere private und politische Initiativen forderten, die Nitratwerte zu senken – bislang ohne Ergebnis. Dazu kam ein Versorgungsengpass im Sommer 2019.

Man habe sich die Situation des Verbandes genau angeschaut und mit Fachleuten analysiert, erklärt Neustadts Bürgermeister Dominic Herbst. Das Ergebnis ist ernüchternd: „Der WVGN ist stark verschuldet und die Eigenkapitalquote ist viel zu gering. Der Sanierungsbedarf der technischen Anlagen und des Netzes ist dagegen sehr groß und der Wasserpreis steigt immer mehr“, fasst Grahl zusammen.  „Darüber hinaus gibt es ein Wasserqualitätsproblem durch hohe Nitratwerte in Neustadt“, sagt Herbst. „Wenn diesen Problemen weiter nur durch Preiserhöhungen begegnet wird, ist das den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zuzumuten. Das können wir als Anteilskommune nicht länger verantworten“, sagt Herbst.

Die Führung des WVGN stellt sich nach Einschätzung der Verwaltungschefs nur bedingt dieser kritischen Situation und hat keine überzeugenden Lösungsvorschläge präsentiert. Für die beiden Bürgermeister sind Kooperationen des WVGN mit öffentlichen Versorgern wie Leinenetz oder den Stadtwerken Neustadt und Garbsen vielversprechende Optionen. „Die Stadtnetze und Stadtwerke Neustadt haben einen niedrigeren Wasserpreis und das qualitativ bessere Wasser. Sie verfügen über ein modernes Netz und eine hohe Eigenkapitalquote, um Zukunftsinvestitionen zu realisieren“, zählt Herbst auf.

Der WVGN müsse nun Antworten geben, machen Christian Grahl und Dominic Herbst abschließend klar. Ihre dringenden Fragen:

  • Wie kann die Wasserversorgung für die Stadt Garbsen und die Stadt Neustadt vor dem Hintergrund möglicher Kooperationen wirtschaftlich, technisch, steuerlich, kundenorientiert, umweltschonend, standorttechnisch und konzessionsorientiert optimiert werden?
  • Welche Modelle zur Neustrukturierung der Wasserversorgung gibt es?
  • Wie können die Preise im Vergleich zu anderen niedrig gehalten und der hohe Nitratwert im WVGN-Versorgungsgebiet gesenkt werden?

Angesichts der finanziellen Situation des WVGN – als Spitzenreiter mit den höchsten Wasserpreisen unter den 25 größten Städten in Niedersachsen – ist nicht mehr auszuschließen, dass der WVGN Verbandsbeiträge bei seinen Mitgliedskommunen erheben muss. Garbsen und Neustadt a. Rbge. nehmen als größte Mitgliedskommunen rund 75 Prozent der gesamten Wasserlieferung ab, mit rund 4,2 Millionen Kubikmeter Wasser. Die übrigen Gemeinden nehmen nur 1,3 Mio. Kubikmeter ab. Entsprechend hoch würde beide Städte die Erhebung von Beiträgen treffen. Am stärksten wäre die Stadt Garbsen betroffen, die alleine 3,16 Mio. Kubikmeter Wasser abnimmt.

Die Erhebung von Beiträgen ist potenziell geeignet, die Haushalte beider Kommunen erheblich zu belasten. Dies ist angesichts der finanziellen Verpflichtungen und der anstehenden Investitionen nicht hinnehmbar. Umso mehr dringen beide Städte darauf, andere Wege zu finden, um das Wassernetz bei einem vertretbaren Wasserpreis in wirtschaftlich angemessener Zeit zu erneuern und zu betreiben.

 

Daruf antwortet der Wasserverband Garbsen – Neustadt am 5.6.2020:

Der Verbandsvorsteher sowie der Geschäftsführer des WVGN sind überrascht und bedauern die Ausführungen der beiden Bürgermeister Dr. Grahl, Garbsen, und Hr. Herbst, Neustadt, zur wirtschaftlichen und technischen Situation des Verbandes in der Pressekonferenz vom 04.06.2020.

Sowohl die Verbandsgremien, die regionale Aufsicht als auch die Wirtschaftsprüfer des Verbandes hätten hierzu eine völlig andere Sichtweise. Die positive Entwicklung des Verbandes, das Vorangehen in der Erhaltung seiner Verbandsanlagen und die Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Rahmendaten seien durchweg positiv zu beurteilen.

Bereits in einer außerordentlichen Sitzung im Oktober 2019 wurden die Daten bzw. die Situation des Verbandes zu mehreren Themen neben den Vorstandsmitgliedern auch den Bürgermeistern der Mitgliedsgemeinden vorgetragen. Hierzu wurden bis heute keine weiteren Fragen präzisiert: Die Verantwortlichen zeigen sich ob der stattgefundenen Pressekonferenz verwundert. „Die damit durch die beiden Bürgermeister verfolgten Ziele sind uns als Verantwortlichen des Verbandes nicht klar“ teilte Verbandsvorsteher Herr Aick mit.

Daher hatte der Verbandsvorstand in seiner Sitzung in der vergangenen Woche die Kommunen Garbsen und Neustadt um eine Erläuterung der Hintergründe des vorgelegten Fragenkatalogs gebeten. Der Zeitpunkt des Pressegesprächs sei auch insofern unverständlich, da am 16. Juni eine reguläre Sitzung des Verbandsausschusses als maßgebliches Gremium stattfindet, in der der geprüfte Jahresabschluss 2019 erläutert und diskutiert werden wird.

Insbesondere die Aussagen zur wirtschaftlichen Situation erstaunen die Verbandsvertreter. Der Verband hatte seit den 70er Jahren einen Verlustvortrag, der insgesamt zu einem negativen Eigenkapital führte. Eine Situation, die in einem privatrechtlichen Unternehmen undenkbar ist. In 2013 wurde auf Vorschlag der Geschäftsführung durch den Vorstand eine Sanierung des Eigenkapitals beschlossen.

Im Geschäftsjahr 2017 war das Eigenkapital zumindest positiv, durch die Erzielung von Gewinnen in den beiden trockenen abgabenreichen Jahren 2018 und 2019. Daher kann das Eigenkapital inzwischen als befriedigend bezeichnet werden. Die in diesem Zusammenhang stehende Verschuldung ist zwar seit 2010 angestiegen, ist aber hinsichtlich der Höhe in keinem Fall problematisch. Die Finanzierung über Darlehen erscheint auch aktuell vor dem Hintergrund der notwendigen Substanzerhaltung der Anlagen und der sehr niedrigen Zinsen wirtschaftlich sinnvoll. Der Verband hat zur langfristigen Planung ein betriebswirtschaftliches Modell, dass die Eckpunkte der Verschuldung und den Wasserpreis als zentrale Elemente berücksichtigt. Um die langfristige Strategie einer ausreichenden Anlagenerhaltung umzusetzen, ist die rechtzeitige Erneuerung und ein entsprechender Wasserpreis erforderlich. Die Vertreter des WVGN haben mehrfach betont, dass eine Verbandsumlage nicht notwendig sei. Die Finanzierung der Wasserversorgung sei über den Wasserpreis vorzunehmen.

Die Erhaltungs- bzw. Erneuerungsmaßnahmen an den Gewinnungs- und Verteilungsanlagen wurden bis zum Jahr 2011 auch aufgrund eines politisch niedrig gehaltenen Wasserpreises in nur sehr geringem Umfang durchgeführt. Mit dem Start eines Anlagenerneuerungskonzepts wurden in allen technischen Bereichen mit dringend notwendigen Maßnahmen begonnen. Im Geschäftsjahr 2018 wurde das technischen Konzept mit einer Zielnetzplanung unterlegt, um die Prioritäten nicht nur auf der Grundlage des Zustandes der Anlagen sondern auch an der Wichtigkeit für die Gesamtversorgung zu priorisieren. Zwar sind die Anlagen mittel- und langfristig zu sanieren, von einem schlechten Zustand kann jedoch nicht gesprochen werden: Die Wasserverlustquote liegt in der nach Regelwerk untersten Kategorie. Das bedeutet nicht, dass man an den 60 Jahren alten Anlagen daher nichts machen sollte.

Den Gremien mit ihren kommunalen Vertretern sowie der Öffentlichkeit wurden die Maßnahmen im Zusammenhang mit den Wasserpreiserhöhungen ausführlich erläutert. Die Bilder von sanierungsbedürftigen Straßen und Brücken, deren Sanierungen zu spät begonnen wurden, sind den meisten Bürgern und Kunden ein Begriff.

Bezüglich der Nitratkonzentration des Trinkwassers aus Hagen wurden die Ursachen und möglichen Handlungsoptionen einschließlich der vielfach diskutierten Fremdbelieferung in Neustadt sowohl dem Rat der Stadt als auch der Öffentlichkeit in Podiumsveranstaltungen ausführlich bereits in 2018 dargestellt.

 

Der Verband bedauert die entstandene Diskussion, die durch die Kommunikation mit den Gremien hätte vermieden werden können. Die anstehenden anspruchsvollen Aufgaben einer sicheren, nachhaltigen und wirtschaftlichen Wasserversorgung möchte der Verband auch weiterhin fachlich fundiert, transparent und vertrauensvoll mit allen Akteuren gemeinsam lösen.