Merz disqualifiziert sich als Seehofer II

„Steuererklärung auf einem Bierdeckel“ – diese griffige wie sympathische Formulierung hat Friedrich Merz in meiner Erinnerung überleben lassen. Seine Bewerbung als Vorsitzender der CDU schien mir zwar ein bisschen ‚von gestern‘ – aber eben auch nachvollziehbar.

Aber nun ist der nass-forsche Jungpolitiker von damals (die Sache mit der Steuererklärung hat er inzwischen zu den Akten gelegt) einer Versuchung erlegen, die ihn endgültig für sein angestrebtes Amt disqualifiziert:

Er fordert vor ostdeutschem Publikum das deutsche Asylrecht durch Verfassungsänderung abzuschaffen und befeuert eine schon lange anhaltende elende Debatte von Neuem, als gäbe es nichts Wichtigeres. Nein, einen weiteren Seehofer braucht die Union nun ganz bestimmt nicht. Diese Rollen sind bei der AfD besser aufgehoben und tragen heute schon den Mief von gestern.

Migration ist ein weltweites Problem mit vielen Ursachen, das differenziert, international und mit viel Sachverstand angegangen werden muss.

Dass die Streichung des Asylrechts aus unserer Verfassung für mich nicht nur die Identität unseres Staates beschädigen würde, sondern auch von der Sache her nichts ändern würde, können Sie im Faktenfinder auf tageschau.de nachlesen. Dort steht in einem Fazit z.B.:

„Auch andere Staaten garantieren in der Verfassung ein Grundrecht auf Asyl. Der Artikel 16a im deutschen Grundgesetz sollte als Lehre aus dem NS-Terror Menschen vor staatlicher politischer Verfolgung schützen. Europäische Regelungen und Genfer Flüchtlingskonvention erkennen hingegen auch nicht-staatliche Verfolgung aus anderen Gründen an – und sind angesichts der Konflikte zwischen nicht-staatlichen Akteuren in vielen Regionen derzeit von größerer Relevanz.“ – Lediglich knapp 1,3% aller Asylanträge wurden demnach nach Artikel 16a positiv entschieden. – Alle anderen Entscheidungen folgten europäischem Recht und der Genfer Flüchtlingskonvention.

– Einer der sich dafür bewirbt vielleicht einmal Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden, muss sich solche Tatsachen bewusst machen, bevor er Debatten in der deutschen Öffentlichkeit entfacht, die nur spalten, aber sachlich keinen Schritt weiter führen.

Wir Wähler müssen alles tun, um einen deutschen Trump gar nicht erst aufkommen zu lassen. Politiker tragen in unseren Tagen eine hohe Verantwortung und müssen dieser persönlich und intellektuell gewachsen sein.