Präsident/innen norddeutscher Landgerichte beklagen Personalausstattung der Justiz und Überlastung der Strafkammern

Am 18.12.2019 fand im Landgericht Hannover das jährliche Treffen des Vergleichsrings norddeutscher Landgerichte statt. Anlässlich des regelmäßigen Erfahrungsaustauschs diskutierten die Präsidentinnen und Präsidenten der Landgerichte Aurich, Braunschweig, Bremen, Bückeburg, Detmold, Hamburg, Hannover, Hildesheim, Kiel sowie Oldenburg, Osnabrück und Verden über die angespannte Personalsituation der Justiz und die damit einhergehende Überlastung der Strafkammern.

Mit Sorge stellen die Präsidentinnen und Präsidenten fest, dass einer verbesserten Personalausstattung bei Staatsanwaltschaften und Polizei (noch) kein entsprechender Personalaufbau bei den Landgerichten gegenübersteht. Zwar wird die personelle Verstärkung der Ermittlungsbehörden und die gezielte Einrichtung von Spezialabteilungen bei den Staatsanwaltschaften – etwa für viele Formen organisierter Kriminalität – ausdrücklich begrüßt. Den Ermittlungsbehörden gelingt es so immer besser, auch bisher undurchsichtige kriminelle Strukturen aufzudecken. In der gerichtlichen Praxis führen die Ermittlungserfolge allerdings zu einer steigenden Zahl von Anklagen in besonders eilbedürftigen Haftsachen und einer höheren Komplexität der angeklagten Sachverhalte. Längere Verfahrensdauern lassen sich bei umfangreichen Anklagen mit meist mehreren Angeklagten und einer oft zweistelligen Anzahl von Verteidigern in der Folge häufig nicht vermeiden.

Angesichts der beschriebenen Mehrbelastung der Landgerichte können die engen verfassungsrechtlichen Fristen gerade in Haftsachen zumindest mit den derzeitigen personellen Möglichkeiten vielfach nur durch außerordentliche Personalverschiebungen gewahrt werden. Unvermeidlich führen diese Maßnahmen dann jedoch zu einem Arbeitskraftverlust in anderen Bereichen: Zivilverfahren können häufig nicht mehr angemessen gefördert werden; im Strafrecht können Nicht-Haftsachen – unabhängig von der Schwere der vorgeworfenen Taten – teils erst nach langer Wartezeit verhandelt werden. Hinzu kommt, dass die Personalbedarfsberechnung der Justiz grundsätzlich keinen ausreichenden Spielraum für unvorhergesehene Personalvakanz vorsieht: Kurzfristige krankheitsbedingte Ausfälle, verlängerter Mutterschutz oder unerwartete Elternzeiten können so häufig nicht adäquat und nur durch kollegiale Mehrarbeit kompensiert werden. Dringend geboten wäre es aus Sicht der Präsidentinnen und Präsidenten deshalb auch insoweit, die Personalausstattung der Justiz den gegenwärtigen Erfordernissen anzupassen.

– Landgericht Hannover –