Über die Energiepolitik wird oft hitzig und emotional diskutiert – gerade im Wahlkampf. Und wir wissen: Die Energiewende sorgt bekanntlich immer für guten Zündstoff – auch wenn 90% der Bevölkerung in Deutschland die Energiewende unterstützt.
Um noch tiefer in die energiepolitischen Diskussionen rund um die Bundestagswahl einzusteigen, empfehlen wir unsere Wahlprogramm-Analyse.
Nun wünschen wir von der Green Planet Energy eG allenLeserinnen und Leserm einen guten Start ins Jahr 2025!
ENERGIEWENDE-MYTHOS 1:
„ERNEUERBARE ENERGIEN SIND UNZUVERLÄSSIG!“🌬️🌞
Fakten:
Der Anteil der Erneuerbaren nimmt stetig zu und erreicht neue Rekordwerte: Im 3. Quartal 2024 lag der Anteil der Erneuerbaren im Strommix bei 63,4% – neuer Rekord! Dabei waren Windkraft (24,7 %) und Photovoltaik (23,8 %) die stärksten Quellen. Ein weiterer Erfolg: Der Anteil der Kohle ist gesunken. Das Gesamtjahr 2024 wird mit einem Stromanteil von voraussichtlich 62,7% einen neuen Rekord aufstellen – Tendenz steigend!
Gleichzeitig zählt das deutsche Stromnetz weiter zu den sichersten weltweit: Der Versorgungssicherheitswert (SAIDI), der die durchschnittliche Dauer von Versorgungsunterbrechungen in Minuten angibt, beträgt für Deutschland lediglich 12 Minuten. Länder, die wie Frankreich (21 Min) oder USA (78 Min) auf Atomstrom setzen, haben deutlich höhere Werte. Ein Blackout ist in Deutschland äußerst unwahrscheinlich. Von einer erhöhten Gefahr hierzulande kann man nicht sprechen.
Zeitfenster mit viel Erneuerbarer Stromerzeugung sind kostengünstig, Zeitfenster mit viel fossilen Energien teuer: Bei wenig Sonne und Wind (sogenannten Dunkelflauten) springen die Börsenstrompreise in die Höhe. Der Grund dafür: teure fossile Energien wie Kohle und Gas erzeugen Strom. In der Regel liegt der Preis bei 80-120€ pro Megawattstunde, bei Dunkelflauten steigen diese kurzzeitig deutlich an, sinken dann aber schnell wieder, sobald mehr Erneuerbare einspeisen. Viel Erneuerbarer Strom senkt die Strompreise.
Um Zeiten mit wenig Erneuerbarem Strom zu überbrücken, braucht es Batteriespeicher, grünen Wasserstoff und haushaltsnahe Lösungen wie E-Autos und Wärmepumpen: Die Speicherrevolution läuft bereits: 2024 wurden 161 GW Großbatteriespeicher angefragt – das entspricht einer Steigerung um den Faktor 100 gegenüber der heutigen installieren Großbatteriespeicher (1,6 GW). Selbst wenn nur ein Teil realisiert wird, zeigt es: Die Speicher kommen!
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ENERGIEWENDE-MYTHOS 2:
„WIR BRAUCHEN ATOMSTROM IN DEUTSCHLAND!“ ⚛
Fakten:
Atomkraftwerke passen technisch nicht in ein Energiesystem, das auf Erneuerbaren basiert: Dennoch taucht immer wieder das Argument auf, dass ohne Atomkraftwerke keine emissionsfreie Stromerzeugung möglich sei. Das Gegenteil ist der Fall: Atomenergie passt technisch nicht zur Stromerzeugung, die vor allem auf Sonne und Wind basiert. Denn Kernkraftwerke sind zu inflexibel, um sie als Back-up kurzfristig hoch- und runtergefahren zu werden – sie müssten „durchlaufen“. Das führt zu regelmäßigen Abschaltungen von Wind- und PV-Anlagen. Während Atomkraftwerke als sogenannte Grundlast-Kraftwerke in der Vergangenheit noch der Standard der Energieerzeugung waren, passen sie heutzutage nicht mehr in unser Stromsystem, in dem Photovoltaik und Windenergie den Hauptanteil an der Stromerzeugung übernehmen. Statt Atomenergie brauchen wir kurzfristig regelbare Speicher und Kraftwerke.
Ein Blick auf den Atomausstieg zeigt – Erneuerbare ersetzen Atomstrom: 2023 wurde der Atomausstieg Realität. Die letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke gingen vom Netz. Mit einer Leistung von ca. 4 Gigawatt machten sie im Jahr 2023 lediglich 1,4 % des Stromverbrauchs aus. Zum Vergleich: Genauso viel Photovoltaik-Leistung wurde allein im zweiten Quartal 2024 zugebaut. In einer Studie mit Greenpeace hat Green Planet Energy gezeigt, dass die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke vor allem von Erneuerbaren kompensiert wurde.
Neue Atomkraftwerke sind sehr, sehr teuer – und haben (zu) lange Bauzeiten: Für einen Wiedereinstieg in die Atomenergie müsste Deutschland neue Kernkraftwerke bauen. Diese sind jedoch enorm teuer, wie die zwei größten europäischen Projekte zeigen: Für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C werden die Baukosten aktuell auf bis zu 53 Milliarden Euro eingeschätzt – fast dreimal so hoch wie die ursprünglich angedachten Kosten in Höhe von 18 Milliarden Euro. Ähnlich schlecht sieht es mit dem französischen Atomkraftwerk Flamanville aus. Die Gesamtkosten sind viermal so hoch wie ursprünglich vorgesehen und werden auf 13 Milliarden Euro geschätzt. Neue AKWs sind nicht nur teuer (und im Übrigen auch nicht versicherbar), sondern brauchen auch lange bis zur ersten Stromlieferung. Flamanville ging vor einigen Tagen ans Netz – mit stattlichen 12 Jahren Verspätung.
Aus diesen Gründen wollen selbst die ehemaligen Betreiber der letzten Kernreaktoren keinen Wiedereinstieg: EnBW, RWE und EON haben sich mittlerweile bereits klipp und klar ablehnend gegenüber einem Wiedereinstieg in die Atomenergie geäußert Der Rückbau der stillgelegten Atomkraftwerke ist bereits in vollem Gange, auch stünden Sicherheitsprüfungen an. Abgesehen davon sprechen weitere Herausforderungen wie die fragliche Wirtschaftlichkeit, fehlende Sicherheitsprüfungen und Personalmangel für sie dagegen. Das zeigt deutlich: Auch unabhängig von Sicherheitsrisiken und der Problematik des atomaren Restmülls sind Erneuerbare unschlagbar im Vorteil.
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ENERGIEWENDE-MYTHOS 3:
„DIE ENERGIEWENDE IST ZU TEUER!“ 💸
Fakten:
Erneuerbare sind heute die billigste Energieform – und ihre Kosten sinken weiter: Die Stromgestehungskosten für Erneuerbare Energien liegen schon heute deutlich unter denen fossiler Energien: PV kostet 4,1–14,4 ct/kWh, Wind Onshore 4,3–9,2 ct und Offshore 5,5–10,3 ct, während Braunkohle bei 15,1–25,7 ct und Atomstrom bei 13,6–49 ct/kWh (ohne Atommüll-Endlagerung) liegt. Prognosen für 2045 sehen Freiflächen-PV (3,1–5,0 ct/kWh) und Wind Onshore (3,9–8,3 ct/kWh) als die günstigsten Technologien, während Braunkohle mit 20–43 ct/kWh mehr als doppelt so teuer wird.
Die Energiewende erfordert Investitionen in die Stromnetze – erzeugt aber auch Arbeitsplätze und Wachstum: Für den Umbau der Energieinfrastruktur kommen Investitionskosten auf uns zu. Diese Investitionen müssen aber nur zum Teil durch die öffentliche Hand getragen werden – der Großteil (80%) wird laut einer Analyse vom Think-Tank Agora Energiewende durch private Investoren getragen. Drei Viertel der Investitionen sind ohnehin notwendig, um die Infrastruktur instand zu halten oder Sachgüter zu erneuern. Außerdem: Der Ausbau von Wind und Sonnenenergie generiert Wertschöpfung und Innovation. Die Energiewende schafft Arbeitsplätze – so könnten bis 2030 rund eine halbe Millionen Klimajobs unbesetzt bleiben aufgrund des Fachkräftemangels.
Die Folgekosten von klimaschädlichen Energien sind nicht eingepreist: Von 2000 bis 2021 verursachten Extremwetter in Deutschland Schäden von 145 Milliarden Euro, bis 2050 könnten es bis zu 900 Milliarden Euro werden. Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen könnten diese Kosten vollständig (bei schwacher Erderwärmung) oder um 60–80 % (bei stärkerer Erwärmung) reduzieren – es ist höchste Zeit zu handeln!
Fossile werden noch immer viel stärker subventioniert: Ja, es stimmt: Erneuerbare wurden 2024 mit 23 Milliarden Euro über das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) gefördert, aber: Konventionelle Energieträger wurden mit über 65 Milliarden Euro fast dreimal so hoch subventioniert – diese Zahl wurde 2018 vom Umweltbundesamt erhoben, Expert:innen gehen in den Folgejahren von ansteigenden Summen aus.