Junge Klimaschützer müssen auch zu Wort kommen

Wer die Nachrichten und Kommentare der letzten Zeit verfolgt, findet in den Medien eine fast einhellige Verurteilung, ja auch Beschimpfung, der Aktionsgruppe „Letzte Generation“. Ja, auch ich habe den Kopf geschüttelt, als ich von den Anschlägen in Museen auf Bilder gehört und gelesen habe. Der Hirntod der Radfahrerin, zu der wegen eines von den Klimaaktivisten vermeintlich erzeugten Staus, ein Rettungswagen möglicherweise zu lange unterwegs war, hat auch mich schockiert und verärgert.

Aber machen wir uns auch klar: Alles was geschieht, wird aus unterschiedlichen Perspektiven unterschiedlich wahrgenommen. Alles was erzählt wird, ist Produkt einer stets subjektiven Wahrnehmung. Alles was weitererzählt wird, stimmt vielleicht gar nicht mehr so ganz genau, ist im schlimmsten Fall ein bloßes Gerücht…

Sie alle wissen das und kennen das. – Wie kann man sich dagegen schützen?

– Fast gar nicht, wenn man irgend etwas nicht selbst aus verschiedenen Perspektiven bewusst beobachtet hat, wenn man sich nicht mit Beweggründen und Hintergründen beschäftigt hat… – „Wie aufwendig, wie langweilig, wie altmodisch…“, wird mancher denken. Ich kann das ihr oder ihm nicht verübeln, leben wir doch in einer Zeit, die Geld ist, in der schnelles Reden und Handeln über allem steht.

Wir können aber versuchen uns Tatsachen, die uns wichtig erscheinen, anzunähern. Die Beachtung der Klimaänderung, die weltweit und auch in Deutschland schon viele Opfer gekostet hat, ist eine solche Tatsache. Und auch der Tod der Radfahrerin ist eine solche.

Wenn wir uns aber einem Ereignis annähern wollen, haben wir zumindest die Pflicht zu versuchen dieses aus den verschiedensten Perspektiven zu betrachten. Darum veröffentliche ich hier eine Pressemeldung vom 4.11.2022, die ich der Homepage der „letzten Generation“ entnommen habe:

(Link: https://letztegeneration.de/presse/pressemitteilungen/ )

 

>> Statement zum Unfall: Es ist Zeit, eine Grenze zu ziehen


Wir sind auf die Straße getreten, weil wir das unfassbare Unrecht in unserer Gesellschaft nicht mehr hinnehmen wollen. Weil wir uns moralisch verpflichtet fühlen, zu handeln und nicht sehenden Auges in den Abgrund zu gehen. Und weil die Geschichte gezeigt hat, dass friedlicher ziviler Widerstand funktioniert.

Wir wussten, dass uns einiges entgegenschlagen wird. Wir wussten, dass wir uns viele Feinde machen würden. Weil wir Menschen unterbrechen. Weil wir stören. Weil wir das Schreckliche an die Öffentlichkeit bringen.

Dass ein ganzes Mediensystem sich gegen uns wenden würde, damit haben wir nicht gerechnet.

Seit Montag bricht eine Welle der Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze über uns hinein. Eine Welle anders als je zuvor. Von privaten bis öffentlich-rechtlichen Medien. Vorher wurde uns neutrale, faktenbasierte Berichterstattung als journalistisches Grundprinzip verkauft. Heute lesen, sehen und hören wir in kaum einem einzigen Medium Berichterstattung nach diesem Prinzip.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Dass die Radfahrerin im Straßenverkehr verunglückt ist, ist furchtbar. Wir sind bestürzt und in Trauer. Doch ist es an der Zeit, eine Grenze zu ziehen.

Der Unfall fand mehrere Kilometer von jedem unserer Aktionsorte statt. Auf der A100 befanden wir uns auf einer Schilderbrücke. Die Polizei regelte den Verkehr darunter selbstständig und reduzierte ihn auf eine Fahrspur. Wir hatten die Polizei vor Betreten der Schilderbrücke informiert und um eine Umleitung von Einsatzfahrzeugen und das komplette Sperren der A100 für den Autoverkehr gebeten. Wir haben in all unseren Protesten immer eine Rettungsgasse. Das zum Was-ist. Und jetzt?

Die mediale Öffentlichkeit instrumentalisiert den Unfall der Radfahrerin. Das können wir nicht fassen.
Als sei endlich ein Aufhänger gefunden, unseren friedlichen Protest durch den Dreck zu ziehen. Ist es zu fassen, dass eine Medienlandschaft, die sich die Aufklärung der Gesellschaft auf die Fahnen schreibt, eine Situation in dieser Form fiktiv aufbauscht und damit demokratischen Protest in einer Krisensituation delegitimiert?

Wir wissen, dass unser Protest in vielerlei Hinsicht unangenehm ist. Tag für Tag konfrontieren wir die Menschen mit dem, was wir alle so gerne ignorieren würden. Das stört. Aber dass wir uns nicht einmal auf die einfachsten Prinzipien in einer Demokratie – wie neutrale, faktenbasierte Berichterstattung – verlassen können, schockiert uns.

Doch das haben wir nicht in der Hand. Was wir in der Hand haben, ist, was wir selbst tun. Mögen private Medien weiter zu Gewalt gegen uns aufrufen. Mögen Journalist:innen von öffentlich-rechtlichen Medien uns weiter am Telefon beleidigen.

Was immer uns als Menschen an öffentlicher Hetze entgegenschlagen mag, wird uns nicht davon abbringen, das einzig moralisch Richtige zu tun: In einer alles entscheidenden Krise nicht zu verharren, sondern loszugehen.

Die Bundesregierung soll unseren Protest beenden – jetzt –, indem sie die Krise in den Griff bekommt.
Bis dahin geht der Widerstand weiter. <<