Nach dem schweren Verkehrsunfall am Kirchdorfer Rehr hat die Staatsanwaltschaft Hannover gegen eine 40-Jährige Frau und einen 39-Jährigen Mann Anklage wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bzw. Beihilfe dazu, Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen sowie Straßenverkehrsgefährdung erhoben.
Den Angeschuldigten wird nach dem Ergebnis der umfangreich geführten Ermittlungen vorgeworfen, sich am 25.05.2022, gegen 16.20 Uhr, als Fahrzeugführer zweier hochmotorisierter PKW (Audi A6 55 TFSI E und Cupra Formentor) kurz nach Verlassen des Egestorfer Kreisels in Richtung Kirchdorfer Kreisel entschlossen zu haben, ein Rennen zu veranstalten und den jeweils anderen in der Fahrgeschwindigkeit zu überbieten. Dafür soll die Angeschuldigte mit ihrem PKW Audi auf die Gegenfahrbahn der einspurigen Straße Kirchdorfer Rehr ausgeschert sein und beide Angeschuldigte ihre PKW anschließend weit über 100 km/h beschleunigt haben, wobei die Geschwindigkeit in dem Bereich auf 70 km/h beschränkt ist.
Obwohl die Straße nach ca. 500 Metern in eine langgezogene, leicht ansteigende Rechtskurve übergeht, durch die die Sicht auf entgegenkommende Fahrzeuge erschwert wird, sollen die Angeschuldigten die Geschwindigkeit ihrer Fahrzeuge weiter stark beschleunigt haben und mit weit überhöhter Geschwindigkeit über eine Kuppe in die Rechtskurve hineingefahren sein, als der Angeschuldigten, die sich dabei noch immer auf der Gegenfahrbahn befunden haben soll, mehrere Fahrzeuge entgegenkamen.
Im weiteren Verlauf soll die Angeschuldigte mit ihrem Fahrzeug ins Schleudern geraten und mit dem linken Heck gegen die Fahrzeugseite eines entgegenkommenden PKW Mercedes gestoßen sein, wodurch der Audi in Rotation geriet und mit einem PKW Nissan Qashqai kollidierte, in dem eine Familie mit ihren sechs und zwei Jahre alten Söhnen saß. Deren Fahrzeug wurde durch die Luft auf einen angrenzenden Acker geschleudert. Infolge dieses Unfalls wurden die Kinder so schwer verletzt, dass der jüngere Sohn noch am Unfallort und der Ältere am späten Abend des Unfalltages im Krankenhaus verstarb. Die Eltern der Kinder sowie der Insasse im Mercedes erlitten schwere Verletzungen.
Die Staatsanwaltschaft geht aufgrund der Ermittlungen zum Unfallhergang und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit dem sog. Berliner „Raser-Fall“ davon aus, dass die Angeschuldigte einen Unfall mit tödlichem Ausgang für die Insassen der ihr entgegenkommenden Fahrzeuge billigend in Kauf genommen hat. Zur Tatbegehung sei der eigene PKW verwendet und damit das Mordmerkmal des Einsatzes eines gemeingefährlichen Mittels erfüllt worden.
Dem anderen Angeschuldigten wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen, weil er nach den Ermittlungen sein Fahrzeug ebenfalls durchweg weiter beschleunigt haben soll, bevor es zum Unfall kam und damit in Verdacht steht, zu der gefährlichen Verkehrssituation beigetragen und das durch die Angeschuldigte verursachte Unfallgeschehen gefördert zu haben.
Die Staatsanwaltschaft hat mit Anklageerhebung einen Haftbefehl gegen die Angeschuldigte beantragt, der antragsgemäß erlassen wurde. Sie wurde gestern nach internationaler Fahndung auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls in Polen festgenommen.
Über die Eröffnung des Hauptverfahrens hat nunmehr die Schwurgerichtskammer des Landgerichts zu entscheiden. Für beide Angeschuldigte gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.