Allgemeine Zeitung Mainz:
Es sind höchst verstörende Bilder, welche die Welt aus dem ukrainischen Butscha erreichen. Eine Straße, geradezu gepflastert mit Leichen; das Auto, aus dem die Szenerie gefilmt wird, muss Schlangenlinien fahren, um die Toten herum. Augenzeugen berichten von Vergewaltigungen und Hinrichtungen von Zivilisten. Etwa 300 Tote haben die ukrainischen Behörden nach eigenen Angaben gezählt – Opfer von Massakern, von Kriegsverbrechen, eilig verscharrt in Massengräbern. Vom friedlichen Deutschland aus lassen sich diese Berichte nicht überprüfen. Aber leider passen sie perfekt ins Bild. Die russische Armee hat in der Ukraine schließlich schon vor dem Wochenende etliche Kriegsverbrechen begangen. Ja, willkürliche Angriffe auf Zivilisten – völkerrechtlich ausdrücklich verboten – gehören offensichtlich zur russischen Kriegsstrategie. Da gab es folgenschwere Angriffe auf Krankenhäuser. Da gab es den Angriff auf das als Bunker dienende Theater von Mariupol, jener Stadt am Schwarzen Meer, die ohnehin mehr oder weniger zu einer einzigen Ruine gebombt worden ist. Und darüber hinaus gibt es längst schon Beweise für Hinrichtungen und Vergewaltigungen durch russische Soldaten, welche die Menschenrechtler von Human Rights Watch zusammengetragen haben. Nun, da sich die russischen Truppen aus vielen Gebieten in der Ukraine wieder zurückziehen, steht nach Lage der Dinge also zu befürchten, dass sich der Welt noch so manche weitere Gräuel offenbaren. Wie soll man damit umgehen? Klar ist, es wird unabhängige Untersuchungen geben müssen, um dem nachzugehen, was wirklich passiert ist und welche Schuld Putins Schergen im Nachbarland auf sich geladen haben. Das humanitäre Völkerrecht und das internationale Strafrecht sind keine stumpfen Schwerter. Das immerhin bleibt als Trost. Jeder einzelne Kommandeur, der Taten gegen Zivilisten anordnet oder diese auch nur duldet, macht sich schuldig. Und Putin? Leider ist es unwahrscheinlich, dass er sich verantworten muss. Denn dafür müsste der russische Staat ihn und mögliche Beweise für seine Verantwortlichkeit aushändigen. Zu erwarten ist das nicht. Auch wenn das Vorgehen der russischen Armee als Barbarei angeprangert werden kann. Ja, so ist es: Mitten in Europa wütet im 21. Jahrhundert offensichtlich niemand Geringeres als ein Berserker mit einer Barbarenarmee.