OFARINs Unterricht kann in Afghanistan langsam wieder beginnen!

Liebe Freunde,

endlich! Unsere Kollegen haben nicht nachgelassen und immer noch einmal mit dem Partnerministerium, dem für religiöse Angelegenheiten, verhandelt. Jetzt können wir dort mit dem Unterricht anfangen, wo es keine technischen Probleme gibt. „Technische Probleme“ sind zunächst die von den Taliban gewünschte Trennung der Geschlechter. Dabei sollen dann auch Mädchen nur von Lehrerinnen und Jungen nur von Lehrern unterrichtet werden. Ein weiteres Problem ist das Verbot des Unterrichts von Mädchen in Moscheen.

Wir hoffen darauf, dass sich die genannten Einschränkungen zunächst für kleinere Kinder aufweichen lassen, so dass wir allmählich wieder zu den bisherigen Arbeitsbedingungen kommen. Unsere Mitarbeiter werden mit den Verantwortlichen, den Trainer und Lehrkräften der verschiedenen Gegenden, in denen wir arbeiten, über die Modalitäten sprechen und dann den Betrieb aufnehmen, wo das problemlos möglich ist. Der Wunsch, wieder zu beginnen, ist in allen Gegenden, in denen wir bisher aktiv waren, stark.

In der Provinz Logar haben sich Änderungen ergeben. Dort ist Ehsanullah der Verantwortliche für unseren Unterricht. Ehsanullah konnte schon seit Jahren ein gutes Arbeitsverhältnis mit den lokalen Taliban herstellen, die den größten Teil des Projektgebietes in Logar kontrollierten. Die lokalen Taliban hatten eine Schattenregierung für die Provinz und die Bezirke gebildet. Der Talib (Talib ist ein Singular und heißt Religionsschüler, also angehender Mullah; Taliban ist der Plural von Talib), der für die Erziehung im Bezirk Baraki-e-Barak zuständig war, besuchte die Klassen von OFARIN, die er erreichen konnte. Er war immer zufrieden mit unserer Arbeit. Vor einem Jahr ließ er uns durch Ehsanullah bitten, eine weitere Schulklasse für erwachsene Frauen zu schaffen. Dazu fehlte uns leider das Geld. Als wir im Sommer 2021 in Afghanistan waren, war Ehsanullah sicher, dass es für OFARIN kein Problem sein werde, auch unter den Taliban zu arbeiten. Keine Frage: Ehsanullah war schon lange ein Anhänger der Taliban-Bewegung.

Als dann die Taliban Kabul besetzten, dauerte es keine drei Tage. Dann rief mich Ehsanullah an und bat mich darum, ihn aus Afghanistan herauszuholen. Verblüfft fragte ich nach den Gründen, und er berichtete, dass die Taliban, die in Logar die Macht übernommen hätten, vollkommen fremde Personen seien. Viele Pakistaner und Tschetschenen seien mit denen gekommen. Die Taliban, die bisher die Schattenregierung bildeten, seien überall ausgebootet worden. Sie wüssten nicht, wie ihnen geschah.

Ich habe für die Evakuierung von keinem meiner afghanischen Kollegen sorgen können. Auch Ehsanullah blieb in seiner Heimat. Es gelang mir auch nicht, ihn anzurufen. Es hieß, er fürchte wegen Anrufen aus dem Ausland Ärger zu bekommen. Vor zwei Wochen rief er dann doch an und platzte vor Freude. Das Personal der Taliban in Logar sei vollkommen ausgetauscht worden. Die Taliban, die aus der Gegend stammten und mit denen er zusammengearbeitet hatte, hätten die Leitung der Provinz übernommen. Die Fremden seien verschwunden. Auch seien einige Absolventen unseres Unterrichtsprogrammes in leitende Posten der Provinz aufgerückt. Einer sei sogar Abteilungsleiter in einem Ministerium in Kabul geworden.

Herzliche Grüße,

Peter Schwittek.