Allgemeine Zeitung Mainz: Durchsichtig – Kommentar von Sascha Kircher zum Impfpflichtstreit

Geht es Markus Söder und Co. wirklich darum, einen Pflegenotstand zu vermeiden – der bei einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht durchaus nicht unwahrscheinlich ist – oder schlicht um ein besseres Ergebnis bei den anstehenden Landtagswahlen? Bei der CDU im Saarland, wo die Menschen am 27. März ihre Stimme abgeben, findet man die Bayern-Bremse aus nachvollziehbaren Gründen sympathisch und spekuliert wohl auf einen späteren Umsetzungstermin – nach dem Urnengang. Die Söder-Taktik, vom neuen CDU-Chef Friedrich Merz befeuert, ist allzu durchsichtig. Söder treibt bei seinem Alleingang nicht die Sorge um Personal, schon gar nicht um Patienten und Heimbewohner, sondern in erster Linie die Sorge um sich selbst. Das kennt man inzwischen von ihm. Immerhin gibt es aus Niedersachsen, wo die große Koalition nach der Landtagswahl im Oktober auf der Kippe steht, mäßigende Worte. Um es noch mal deutlich zu sagen: Die Umsetzung der Impfpflicht für Klinik- und Pflegepersonal, so sinnvoll sie grundsätzlich ist, stellt die ohnehin völlig überforderten Gesundheitsämter vor eine enorme Zusatzbelastung. Nun aber länderweise auszuscheren oder gar den gesamten, mit großer Mehrheit gefundenen Konsens aus parteipolitischen Erwägungen anzuzweifeln, zeugt von grober Verantwortungslosigkeit. Und sorgt, ganz nebenbei, für noch mehr Verwirrung und Verdruss bei der ohnehin pandemiemüden Bevölkerung. „Wir werden keine Fundamentalopposition machen“, hatte der neue CDU-Chef Merz noch im Dezember zugesichert. Keine zwei Monate später sind seine Worte nichts mehr wert.