Wie geht es weiter in Afghanistan mit der US-Regierung Biden?

Ganz viel zu berichten gibt es nicht. Vieles stagniert. Und das, obwohl sich in der Weltpolitik doch einiges getan hat? Ja, Amerika hat einen neuen Präsidenten. Der hat schon viele neue Akzente gesetzt, auch in der Außenpolitik. Aber bis in alle Einzelheiten konnte die neue Politik der USA noch nicht festgelegt werden. Das gilt auch für Afghanistan. Die Regierung Trump hatte die amerikanischen Truppen bis auf knapp 3.000 Soldaten aus Afghanistan abgezogen. Der Rest sollte bis April folgen. Die Regierung Biden prüft derzeit, ob es bei diesem Entschluss bleibt oder ob es ganz anders kommen soll. Ein Kontingent Bundeswehr ist auch noch in Afghanistan.

Man kann versuchen, sich die Gedanken der US-Regierung zu machen. Zum Abzugsentschluss von Donald Trump gehört folgender Hintergrund: Die rigorose Erweiterung der amerikanischen Ölproduktion, vor allem durch Fracking, und der langfristig sinkende Bedarf an Erdöl als Energiequelle, verringert die Bedeutung des Mittleren Ostens für die USA. Diese Tendenz bleibt bestehen, auch wenn die Regierung Biden die eigene Ölförderung aus Gründen des Umweltschutzes drosseln wird.

Die Lage Afghanistans zwischen dem Iran und China bleibt unabhängig vom Öl wichtig. Es fragt sich, was aus dem Stationierungsabkommen wird, das noch die Regierung Obama mit Afghanistan ausgehandelt hatte. Hier ist eine Lösung wie in Guantanamo denkbar, die unabhängig von einem sonstigen Truppenabzug sein könnte.

Im gegenwärtigen Schwebezustand haben die afghanischen Konfliktparteien, die Regierung und die Taliban, eine Annäherung nicht ernsthaft angestrebt. Wenn die Regierung Biden weiterhin mittelfristig den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan verfolgt, wird sie dafür hoffentlich zunächst eine solide Grundlage schaffen.

Die Taliban sind ein wichtiges Werkzeug Pakistans in Afghanistan. Ohne die materielle Versorgung durch Pakistan gäbe es die Taliban nicht. Pakistan hat durchaus Gründe, sich die Talibanbewegung in Afghanistan zu halten. Friedensverhandlungen mit den Taliban ohne Einbeziehung Pakistans haben keine realistische Basis. Ein dauerhafter Frieden für Afghanistan kann so nicht geschaffen werden. Das war aber auch nicht die Absicht von Donald Trump. Der wollte seine Soldaten abziehen. Danach konnte ruhig die Sintflut kommen.

Die Regierung Biden wird hoffentlich eine solide Friedenslösung mit Einbindung Pakistans anstreben. Dazu wird weiterhin gehören, die derzeitige Regierung und die Taliban zum Frieden zu drängen. Eine von Pakistan abgekoppelte Taliban-Bewegung könnte ihre hyperislamische Ideologie ablegen, den ihr ihre pakistanischen Geburtshelfer auf den Weg gegeben hatten. Das könnte etwas die Ängste mindern, die die Taliban bei der städtischen Bevölkerung hervorrufen, vor allem bei den Frauen.

Ein weitere afghanische Kriegspartei sind die Da’esch, die Anhänger des Islamischen Staates. Vielleicht lassen sich sogar die in ein Friedenskonzept einfügen. Sollte das nicht möglich sein, so würde vermutlich ein Schulterschluss zwischen der jetzigen Regierung und den Taliban genügen, um die Da’esch auszuschalten.

Eine tragfähige Lösung dieser Probleme zu schaffen, kostet Zeit. Afghanistan wird noch länger in der jetzigen Ungewissheit schweben.

Und die ist für die Menschen unerfreulich. Die Sicherheitslage ist sehr labil. Anschläge und Überfälle sind im ganzen Land häufig, teils mit politischem Hintergrund, oft mit rein kriminellem. Corona wird nicht beachtet. Man ist einfach müde, weil es doch keinen Schutz gibt. Die Seuche wütet weiter. Niemand kennt das Ausmaß. Jetzt im Winter ist die Luft in der Stadt Kabul besonders stark belastet. Atembeschwerden, Husten und Kopfschmerzen sind verbreitet.

OFARINs Unterrichtsprogramm läuft gut. Auf Grund von Nachfragen haben wir einige weitere Klassen eröffnet. In Pandschir arbeiten jetzt elf Lehrkräfte, darunter zwei Mädchen. Auf dem Land ist das etwas Besonderes.

Bei der Lösung persönlicher Probleme, wie etwa der unserer bisherigen Lehrerin Muzhgan, über die wir im vorletzten Rundbrief berichteten, kommen wir nicht voran. Muzhgans Eltern waren an Corona gestorben. Die zum Teil drogenabhängigen Brüder verkauften das Anwesen der Eltern, und Muzhgan musste mit ihrer kranken Großmutter zu einem der Brüder ziehen. Es besteht die Chance, dass Muzhgan und ihr Verlobter heiraten. Damit würde sie von den Brüdern unabhängig. Doch das ist Angelegenheit der Familien. Die kann man von außen kaum fördern.

Bitte, versuchen Sie sich vorzustellen, was es für viele jüngere Frauen bedeutet, immer im „Schutze“ einer Familie leben zu müssen! Allein lebende Frauen sind Freiwild. Das ist nicht nur eine Frage patriarchalischer oder religiös begründeter Gesetze. Es ist vor allem eine Frage der öffentlichen Sicherheit. Der Staat kann nicht für die Sicherheit der Frauen sorgen. Meist werden jüngere Witwen von der Familie ihres Mannes wiederverheiratet.

Eine Kollegin ist vielleicht 30 Jahre alt und etwas herzkrank. Auch ihre Eltern kränkelten. Die Mutter starb vor einigen Jahren. Jetzt starb der Vater. Der Bruder unserer Kollegin reiste aus Deutschland zur Trauerfeier an. Er verkaufte die Wohnung des Vaters und entschied, dass die Schwester zu einem Onkel ziehen muss. Der Onkel hatte sich nie um seine Nichte oder ihren kranken Vater gekümmert. Man war sich nicht grün. Aber was sollte der Bruder tun? Er musste nach Deutschland zurückkehren. Die Schwester allein in der Wohnung der Eltern zu lassen, ging nicht. Jetzt macht sich unsere Belegschaft große Sorgen um die Kollegin. Man hält sie für akut selbstmordgefährdet. Niemand weiß Rat. Auch ich nicht.

Unserer Zielsetzung ist Schulunterricht. Der wird erst nach einigen Jahrzehnten dazu beitragen, Mädchen und Frauen freier zu machen. Aber ohne Schule, die grundlegende Kulturtechniken und gegenseitige Achtung vermittelt, wird es nie dazu kommen.

Im vergangenen Jahr haben Sie uns sehr geholfen, voran zu kommen. Hatten wir 2019 ein Spendenaufkommen von knapp 135.000 €, so waren es 2020 gut 202.000 €. Leider liegt es in der Natur unserer Aufgabenstellung, dass wir mit keinem Spendenaufkommen genug haben. Je größer OFARINs Programm wird, desto mehr Menschen werden wir helfen. Geldgier gehört zu den Genen von OFARIN. Aber dafür ist OFARIN ein wirklich gelungenes Programm, das man weiterempfehlen kann.

Die Bescheinigung für Ihre Spenden haben wir inzwischen alle abgeschickt, bis auf ganz wenige, für die wir keine Postadressen gefunden haben, um die Bescheinigung zu verschicken. Bitte, melden Sie sich, wenn Sie noch eine Bescheinigung für 2020 benötigen, und vergessen Sie Ihre Anschrift nicht!

Das erhöhte Spendenaufkommen bedeutet für uns einen erhöhten Aufwand an Bearbeitung. Faul wie wir sind, wollen wir dieses Jahr ganz konsequent sein und nur Bescheinigungen für Spenden von über 200 € ausstellen. Für Spenden bis 200 € erkennt das Finanzamt Ihren Einzahlungsbeleg an. Auch wollen wir die Spendenquittungen erst Anfang 2022 verschicken. Das sollte dem Bedarf fast aller Spender entsprechen. Wenn es bei Ihnen anders sein sollte und Sie benötigen unsere Bescheinigung früher oder für eine Spende von unter 200 €, so schreiben Sie uns! Wir tun dann das Nötige.

Für unsere Homepage und auch für die Versendung dieser Rundbriefe ist eine Firma mit dem für deutsche Hörer und Leser hässlichen Namen wix.com zuständig. Wir sind mit deren Diensten sehr zufrieden. Über wix.com wird leider viele Spam verschickt, so dass manche E-Mail-Anbieter den Empfang von Sendungen mit dem Absender wix.com grundsätzlich sperren. Das gilt z.B. für t-online. So mussten jeden Monat rund 80 Rundbriefe als Anhänge von E-Mails „zu Fuß“ verschickt werden. Wir haben jetzt bei wix.com die eigene Adresse ofarin.org. Die Rundbriefe werden mit dieser Adresse abgeschickt. Wir hoffen, dass alle E-Mail-Anbieter mit dieser Adresse leben können. Aber das Geschehen im Internet ist für uns simple User nicht vorhersagbar. Daher wenden Sie sich bitte an uns, wenn Sie merken, dass Sie den Rundbrief nicht bekommen!

Für die Versendung dieser Rundbriefe können Sie sich in der Homepage ofarin.de anmelden. Wir sind aber so aufdringlich, dass wir jeden für den Empfang der Rundbriefe rekrutieren, der Interesse an OFARIN zeigt, insbesondere neue Spender. Wem die Rundbriefe lästig sind, der muss uns anschreiben. Dann wird er aus dem Verteiler entfernt. Es gibt übrigens auch Menschen, die mit E-Mail, Internet und all dem Zeug nichts am Hut haben. Je mehr ich mit dem Internet zu tun habe, desto sympathischer werden mir diese Menschen. Digitalisierungsmuffeln, die sich für OFARIN interessieren, schicken wir die Rundbriefe gerne als Postbriefe zu. Wer den Rundbrief per Post bekommen möchte, schicke uns bitte seine Postanschrift!

Herzliche Grüße,

Peter Schwittek