Allg. Zeitung Mainz: Nie zu spät

– Kommentar von Lars Hennemann zu Syrien und den Kurden –

Mainz, 18.10.19 – Was den Kurden gerade widerfährt, ist der übelste Verrat an einem ganzen Volk seit Jahrzehnten. Auch Europa und Deutschland mit ihm machen sich dabei schuldig. Wir werden lange brauchen, bis wir wieder glaubhaft über unsere ach so unverhandelbaren Werte werden reden können. Bis dahin gelten die Werte eines Recep Tayyip Erdogan und aller, die ihn beliefern: Wer bezahlt schafft an.

Vor diesem aufgeheizten Hintergrund ist es ein Irrglaube, man stünde hierzulande sicher abseits. Der Krieg in Syrien kommt vielmehr jetzt nicht nur in Gestalt von Flüchtlingen bei uns an, sondern auch in Form von Emotionen, mit der sich zwei millionenstarke Communities nicht nur auf Fußballplätzen gegenüber stehen. Polizei und Staatsschutz stehen dazwischen und müssen hoffen oder dafür sorgen, dass die eine Seite nicht weiter provoziert und die andere trotz aller Zumutungen friedlich bleibt. Lösen oder wirksam deeskalieren lässt sich all das aber nur in Syrien.

Humanitär, finanziell und logistisch kann man den Kurden auch hinter der Demarkationslinie immer noch Gutes angedeihen lassen. Das würde auch die Lage hierzulande entspannen. Vorausgesetzt, die Waffenruhe hält, der IS bleibt in Schach und der eigentliche starke Mann – Wladimir Putin – gibt seinen Segen. Wir werden auch unser Verhältnis zu Moskau ein Stück weit neu definieren müssen. Weil die USA durch die Dummheit ihres Präsidenten die schlimmste Demütigung eingefahren haben, seit in Saigon die letzten Hubschrauber in den Himmel stiegen. Washington mag also Wunden lecken, uns muss es um Frieden gehen. Das wäre dann doch noch ein starkes Signal, für das es nie zu spät ist.