Stöcken: St. Christophorus wird profaniert

Die Kirche St. Christophorus im Hannoveraner Stadtteil Stöcken wurde profaniert und verlor damit ihre Aufgabe als Ort für Gottesdienste. Weihbischof Dr. Nikolaus Schwerdtfeger hat den Profanierungsgottesdienst am vergangenen Freitag gefeiert. Das Gotteshaus ist seit 2006 eine Filialkirche der Pfarrgemeinde St. Maria, zu der auch noch die Kirchen St. Hedwig in Vinnhorst und St. Adalbert in Herrenhausen gehören.

St. Christophorus wurde 1962/63 nach Plänen der Hannoveraner Architekten Horst Langer und Andreas Friess erbaut – als Klinkerbau, der Kirchenschiff, Sakristei, Gemeindesaal und Jugendheim umschließt. Geweiht wurde die Kirche am 14. Dezember 1963. Im Inneren wurde St. Christophorus mit einem Altar sowie einer Kanzel aus Basaltlava ausgestattet. Das den Kirchenraum überragende Altarkreuz schuf der Hannoveraner Bildhauer Norbert Labenz, die farbigen Fenster entwarf der aus Oberschlesien stammende und in Köln lebende Glasmaler Franz Pauli. Gefertigt wurden sie in einer Kölner Glaswerkstatt. Eine Darstellung des Patrons der Kirche befindet sich an der dem Marktplatz zugewandten Außenfassade.

Geprägt wurde St. Christophorus überwiegend von Industriearbeitern und ihren Familien, auch von aus Spanien und Italien stammenden Familien. Wirtschaftlicher Aufschwung, aber auch Krisen, Werkschließungen und Arbeitslosigkeit spiegelten sich in der Gemeinde.  Lange Zeit hindurch wurde St. Christophorus von Ordensmännern des Pallottinerordens betreut. Auf ihre Initiative wurde beispielsweise das in der Nachbarschaft der Kirche liegende „Palottihaus“ eingerichtet – ursprünglich als Wohnheim für junge Arbeiter. Heute gehört es zu Caritas Wohnen Hannover, in der 40 Menschen mit geistiger Behinderung betreut werden, die einen hohen Assistenzbedarf haben. Auch das Pfarrheim von St. Christophorus gehört mittlerweile zur Caritas Wohnen Hannover. Dort leben neun Erwachsene in zwei Wohngemeinschaften, die wahlweise in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten oder auf dem freien Arbeitsmarkt tätig sind.

Bereits 2009 wurde durch das Bistum Hildesheim entschieden, St. Christophorus zu profanieren. Von 2011 bis 2014 wurde letzten Endes erfolglos mit der evangelisch-lutherischen Kirche über eine Übernahme des Gotteshauses verhandelt. 2015 hat die Wohnungsbaugenossenschaft Heimatwerk Hannover das gut 3500 Quadratmeter große Kirchengrundstück gekauft, um dort soziale und barrierefreie Wohnungen zu errichten. Es besteht die Absicht, symbolisch bedeutsame Elemente der Kirche zu erhalten und in das neue Gebäude einzugliedern  – zum Beispiel die Kirchenfester und das den Bau kennzeichnende Figur des heiligen Christophorus. Jedoch zogen sich Verhandlungen des Heimatwerkes mit der Stadt Hannover bis Mitte letzten Jahres hin. 

Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – das ist für den Pfarrer von St. Maria, Bernd Langer, noch die beste Lösung mach der Entwirrung der Kirche: „Das ist auch eine Antwort auf ein großes gesellschaftliches Problem in der Stadt.“ Mit dem Heimatwerk habe die Pfarrei auch den richtigen den Partner gefunden: „Die Genossenschaft hat katholische Wurzeln und folgt Grundsätzen.“ Natürlich überwiege rund um St. Christophorus große Trauer: „Die Aufgabe einer Kirche ist ein tiefer Einschnitt, für viele Menschen verschwindet ein Stück Heimat.“ Langer wünscht sich, „dass die Gemeinschaft, die ich in St. Christophorus erleben durfte, nun nicht verloren geht, sondern in den anderen Kirchorten aufgehoben werden kann“. 

Stichwort Profanierung: Eine Profanierung oder Entwidmung ist im Sinne des katholischen Kirchenrechts notwendig, wenn die liturgische Nutzung eines Gotteshauses beendet wird. Sie bildet gewissermaßen das Gegenstück zur Kirchweihe. Angeordnet wird eine solche Entwidmung durch ein Dekret des Diözesanbischofs, das im Allgemeinen in einem letzten Gottesdienst verlesen und damit wirksam wird. Damit wird dann das Gotteshaus dauerhaft profanem, also weltlichem Gebrauch überlassen. Im Abschiedsgottesdienst wird das Allerheiligste aus der Kirche getragen und das Ewige Licht gelöscht. Die Reliquien sind aus dem Altar zu entnehmen und alle liturgischen Geräte und Einrichtungsgegenstände (von Altar über Ambo, Tabernakel, Beichtstuhl und so weiter) müssen aus dem Gebäude entfernt und „an einem würdigen Ort aufbewahrt“ werden. Sie können aber auch an einem anderen Ort ihrer Bestimmung gemäß weiter verwendet werden.

Rüdiger Wala
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit